»Müssen wir ein gewisses Maß an Asozialität und Kriminalität akzeptieren, weil es eine monokulturelle Gesellschaft aus nur Gutmenschen nicht geben kann?
Während ich Nachrichten lese über neue Gewalttaten in der Welt, frage ich mich, wie wohl die meisten von uns: Wie konnte das passieren? Warum gibt es solche Psychopathen, Narzissten, Verirrte, Besessene? Und warum stehen ihnen auf der anderen Seite so viele altruistisch Tätige, uneigennütze Helfer gegenüber? Neben den Hitlers, Stalins, Breiviks und heutigen Dschihadisten gibt es Dalai Lamas, Nelson Mandelas, indische Heilige wie die Umarmerin Amma, und es gab Charlie Chaplin, Dag Hammarskjöld, Martin Luther King und vor langer Zeit Buddha und Jesus.
Eine Variante wird überleben
Die Biodiversität wird viel gelobt und gilt als schützenswert, in ähnlicher Weise auch die kulturelle Diversität. Wie steht es demgegenüber mit der charakterlichen Diversität, die ja ebenso auffallend ist? Sollten ähnliche evolutionsbiologische Erklärungen etwa auch dafür gelten?
Auch die sexuelle Diversität fällt mir dazu ein. Da Homosexualität keine Nachkommen erzeugt, hätte sie längst aussterben müssen; es gibt sie aber über alle Zeiten und alle Kulturen hinweg, sie muss also für die Kollektive, wo sie auftritt, bedeutsame Vorteile haben. Das gilt anscheinend auch für das Auftreten der Psychopathie, definiert als Abwesenheit von Empathie, auch das gabt und gibt es ja in allen Kulturen und über alle Zeiten. Vielleicht treiben Psychopathen in ihrer brutale Rücksichtslosigkeit manche Entwicklungen schneller voran, zum (häufig genug und auf lange Sicht) Vorteil für das Ganze?
Der Vorteil der Diversität, im Biologischen ebenso wie im Kulturellen, liegt darin, dass bei Umweltveränderungen wie z.B. Klimaveränderungen, Parasiten, Predatoren nicht so leicht die ganze Population vernichtet wird – irgendeine Variante überlebt. Vielleicht erweisen sich multiple Charaktere und Menschen mit nicht nur einer beruflichen Qualifizierung bei starken gesellschaftlichen Veränderungen aus denselben Gründen weniger leicht als obsolet.
‚Braucht es’ das Böse aus Gründen der Vielfalt?
Zurück zum Auftreten von asozialen Verhalten: Vielleicht brauchen Gesellschaften diese Art von Diversität um bei Veränderungen der Rahmenbedingungen ihrer Existenz für ihr (Über)leben mehr Varianten zur Verfügung zu haben – Varianten an Individuen und -Subkulturen. Das hieße – Schreck lass’ nach –, dass wir ein gewisses Maß an Asozialität und Kriminalität akzeptieren müssen, weil es eine homogene Gesellschaft aus nur Gutmenschen aus den genannten Gründen nicht geben kann. Genialität und herausragende Güte zu akzeptieren fällt vergleichsweise leicht, dabei hindert uns allenfalls der Neid, nicht selbst so gut oder so genial zu sein. Viel schwerer ist es, das Gegenteil zu akzeptieren.
Vielleicht ließe sich mit diesem Ansatz das so weit verbreitete Auftreten von Vielfalt und Polarität wenigstens teilweise erklären. Vielleicht sogar auch die schillernde, charakterliche Vielfalt, die wir in humorvollen Menschen antreffen – Humor definiert als Spiel mit einer Vielfalt von Identitäten: Ist der Joker im Kartenspiel nicht deshalb Trumpf, weil er jede Rolle einnehmen kann?
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